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Neue Regelungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht (StaRUG)

Aufgepasst: Es gibt Neuigkeiten zum Sanierungs- und Insolvenzrecht! Aus Gesetzgebersicht soll es zukünftig um ein Retten und nachhaltiges „Wieder-fit-Machen“ der Unternehmen gehen und nicht sofort um eine Abwicklung. Auch die Rechte der Arbeitnehmervertretungen wurden gestärkt.

Zum 1. Januar 2021 trat mit dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) ein Gesetzespaket in Kraft, das das Sanierungs- und Insolvenzrecht fortentwickeln soll. In Gestalt des „Hauptgesetzes“ Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) soll es Restrukturierungsverfahren fördern, mit deren Hilfe Insolvenzen abgewendet werden können. Das ist ein wichtiges Signal. Es soll aus Gesetzgebersicht also vielmehr um ein Retten und nachhaltiges „Wieder-fit-Machen“ der Unternehmen gehen und nicht sofort um eine Abwicklung.

Im verabschiedeten Gesetz finden sich – Dank des Einsatzes der DGB-Gewerkschaften – einige Forderungen wieder, die die Rechte der Arbeitnehmervertretungen stärken: Im neuen vorinsolvenzlichen Sanierungsrecht, das einer Eigenverwaltung ähnelt, kann das Gericht einen sogenannten Gläubigerbeirat einsetzen, dem Arbeitnehmervertreter*innen angehören. Zu diesen Arbeitnehmervertreter*innen zählen laut Gesetz auch Gewerkschaftsvertreter*innen (§ 93 Abs. 1 Satz 2 StaRUG).

Das Restrukturierungsverfahren

Wichtig zu beachten: Wenn kein Gläubigerbeirat eingerichtet wird, müssen die Arbeitnehmervertretungen über die Informationsrechte aus dem BetrVG (hilfreich sind hier vor allem die §§ 80, 106) die Inhalte der Restrukturierungs­absprachen in Erfahrung bringen und vor Verhandlungen über personelle Maßnahmen ein Mitspracherecht bei der Restrukturierungsplanung einfordern.

Positiv zu bewerten ist auch, dass im StaRUG jegliche Arbeitnehmeransprüche von der Gestaltung der Restrukturierungspläne ausgenommen sind (vgl. § 4 StaRUG). Heißt also: beispielsweise die betriebliche Altersvorsorge bleibt durch die Restrukturierungspläne unangetastet. Darauf sollte der Betriebsrat aber dennoch achten.

Schade nur, dass die betriebsverfassungsrechtlichen Informationsansprüche des Betriebsrates nicht ausdrücklich im StaRUG übernommen wurden. Es muss sich also in der Praxis zeigen, inwieweit die Betriebsräte ihr Recht auf Beteiligung und rechtzeitige und umfassende Informierung durchsetzen können. Hier ist eine offensive Herangehensweise geboten. So lassen sich die §§ 80 und 106 BetrVG nach unserer Ansicht auch auf die im StaRUG beschriebenen Restrukturierungs­verfahren anwenden. Der Restrukturierungsplan ist eine elementare Informationsgrundlage für den Betriebsrat und sollte deshalb unbedingt eingefordert werden.

Das neue StaRUG hat insgesamt den Fokus auf der außergerichtlichen Sanierung. Aber wie lange haben Unternehmen Zeit, bevor sie einen Insolvenzantrag stellen müssen? Ab wann greift dann doch die Insolvenzordnung?

Maßstab ist hier die Liquiditätsplanung. Eine außergerichtliche Sanierung kann versucht werden deutlich bevor eine drohende Zahlungsunfähigkeit erkennbar ist (§ 1 StaRUG oder §§ 18, 19 InsO). Da es hier strenge Fristen zu beachten gilt und das Verfahren kompliziert ist, sollte auf professionelle Hilfe zurückgegriffen werden (Sachverständige, Fachjurist*innen etc.).

Neue Instrumente und Rollen laut StaRUG

Restrukturierungsplan

Die Anforderungen an den Restrukturierungsplan ähneln denen an einen Insolvenzplan (s. Anlage zum StaRUG). Es ist eine Beschränkung auf bestimmte Planbetroffene möglich, was einen ganzheitlichen Blick erschwert. Explizit gefordert und damit positiv ist hingegen, dass beschrieben werden muss, welche „Auswirkungen (das Restrukturierungsvorhaben) auf die Beschäftigungsverhältnisse sowie Entlassungen und Kurzarbeiter­regelungen (hat)“ und wie „die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertretung ablaufen sollen“.

Positiv hervorzuheben ist ebenfalls, dass Forderungen im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen vom Restrukturierungsplan ausgenommen sind. Bei der Abstimmung über den Restrukturierungsplan werden die Gläubiger in Gruppen eingeteilt/zusammengefasst. Mindestens 75 % aus jeder Gruppe müssen dem Restrukturierungsplan zustimmen, damit dieser angenommen werden kann. Wirksam wird der Restrukturierungsplan dann mit der Bestätigung durch das Restrukturierungsgericht (§§ 74 ff StaRUG).

Restrukturierungsbeauftragte*r

Das Restrukturierungsgericht bestellt in bestimmten Fällen (§73 StaRUG) eine*n Restrukturierungs­beauftragte*n, der unabhängig, neutral und in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahren sein soll. Die Aufgaben der Restrukturierungs­beauftragten bestehen vor allem in der Begleitung/Beaufsichtigung der Umsetzung des Restrukturierungs­plans (§ 76 StaRUG) und ähneln denen eines/einer Sachwalters/Sachwalterin.

Sanierungsmoderator*in

Die Sanierungsmoderation darf bis zu drei Monate (maximal 6 Monate) dauern. Innerhalb dieses Zeitraums versucht diese unabhängige, erfahrene Person, zwischen dem Schuldner und den Gläubigern zu vermitteln und einen einvernehmlichen Vergleich zu erreichen, und erstattet dem Restrukturierungsgericht monatlich schriftlich Bericht über den Verlauf der Moderation. Eine Sanierungsmoderation versucht demnach, anstelle eines Restrukturierungsplans zu einer Lösung zu gelangen.

Stabilisierungsmaßnahmen

Das Restrukturierungsgericht kann sogenannte Stabilisierungsmaßnahmen anordnen, die für die Restrukturierung erforderlich sind (§ 49 StaRUG). Dazu gehören etwa eine Vollstreckungssperre oder Verwertungssperre, sprich: dem Unternehmen soll Zeit und Raum für eine Stabilisierung gegeben werden (§ 56 StaRUG).

Im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens ergeben sich damit folgende Rechte und
Handlungsmöglichkeiten für die Betriebsräte:

  • Einfordern des Restrukturierungsplans
  • Einfordern von Informationen über Restrukturierung
  • Entsendung in den Gläubigerbeirat
  • Hinzuziehung von Sanierungsexpert*innen
  • Nutzen des Vorschlagsrechts bzgl. des/der Restrukturierungsbeauftragten

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Neuerungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht Grund zur Freude und Hoffnung sind. Allerdings müssen die neuen Möglichkeiten sicher aktiv genutzt werden, um Restrukturierungsprozesse frühzeitig anzustoßen und so den mühsamen – und gerade für die Beschäftigten oftmals verlustreichen – Weg eines Insolvenzverfahrens zu verhindern.

Wo kann ich mir als Betriebsrat Unterstützung bei diesem Thema holen?

Auch die Unternehmen (zumal kurz vor der Insolvenz) finden durch diese Krisen kaum ohne externem Lotsen ihren Weg. Das Management holt sich Beratungsunternehmen mit ins Boot. Der Betriebsrat sollte deshalb überlegen, wie lange er warten will, bevor er externe Unterstützung hinzuzieht. Im Sinne des StaRUG ist eine frühe Auseinandersetzung mit dem Sanierungsthema möglich und sinnvoll. Wir helfen seitens der TBS gerne und erfahren mit Orientierungsberatung und Sachverstand auch bei diesem Thema weiter.

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Neue Möglichkeiten der Sanierung

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