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Digitalisierung: Strategisch handeln und Prioritäten setzen!

Die Interessenvertretung muss Möglichkeiten zur Mitgestaltung konsequent nutzen

Digitalisierung lautet das Motto der Stunde. Und die Weichenstellungen, wie wir in Zukunft arbeiten werden, erfolgen im Hier und Jetzt. Die Interessenvertretung muss sich also wappnen, ihre Möglichkeiten zur Mitgestaltung bereits jetzt konsequent zu nutzen

„Wir haben das Gefühl, der IT ständig hinterherzulaufen“ – ein anonymes Zitat aus der betrieblichen Praxis, das vielen Kolleginnen und Kollegen aus der Seele sprechen dürfte. Denn Hand aufs Herz: Wer fühlt nicht von Zeit zu Zeit eine Überforderung angesichts der Komplexität von IT-Ein­führungen, die längst nicht nur technische Aspekte und Fragen aufwerfen, sondern zunehmend die Gesamt­heit der betrieblichen Abläufe und Zusammenarbeit verändern. Dennoch müssen Interessenvertretungen auf der Höhe der Zeit sein, um ihre Mitbestimmungsrechte optimal zu nutzen.

Die Handlungsfelder der Interessenvertretungen 

Deshalb ein kurzer Überblick: Digitale Workflows sollen vermehrt analoge Arbeitsprozesse unterstützen und optimieren. Wie eine solche Optimierung im Sinne der Be­schäftigten erreicht werden kann, ist umstritten. Vollauto­matisierte Stan­dard­prozesse, in denen die Maschine Auf­gaben­ver­teilung und Arbeitspensum größtenteils oder vollständig steuert und so die Autonomie der Beschäf­tigten auf ein unhaltbares Niveau reduziert, sind sicher nicht im Sinne guter Arbeitsbedingungen. Die hier leider häufig gemachten leidvollen Erfahrungen von Beschäf­tigten in Call-Centern drohen nun auch anderen Bran­chen und Berufen. Daher gilt es seitens der Interessen­vertretung zu gewährleisten, dass der Faktor Mensch nicht als Zahnrad im elektronischen Vorgang ge­dacht und technisiert wird, sondern vielmehr selbstbestimmt seine gestalterischen Fähigkeiten einbringen kann, darf und soll. Die Re­nais­sance einer „Fließbandarbeit 4.0“ darf es in Zukunft nicht geben.  

Stattdessen besteht in der Entwicklung und Umsetzung einer eigenen Strategie von „Guter Arbeit 4.0“ eine zentrale Her­aus­forderung der Interessenvertretung bei IT-Pro­jekten. Darüber hinaus gibt es verschiedene Gestal­tungs­felder zu beachten. Neue technische Möglichkeiten ermöglichen ein zunehmend ortsunabhängiges und flexibles Arbeiten. Mo­biles Arbeiten und Telearbeit werden von einer Mehrheit der Beschäftigten als ein willkommener Wan­del wahrgenommen, da bei ihnen häufig die Poten­ziale für eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf gegenüber berechtigten Vorbehalten überwiegen. Diese Vorbehalte wiegen jedoch schwer, denn es droht die Ent­grenzung der privaten Lebensräume, bei der außerbetriebliche Zeitanforderungen private Interessen dominieren. Zudem wird der Aufwand betrieblicher Kon­trolle auf den einzelnen Beschäftigten ausgelagert, Leis­tung immer stärker an Ergebnissen gemessen und verglichen. Mobile Arbeit stresst und erfordert ein hohes Maß an Selbst­steu­e­rung. Beschäftigte sind daher neben dem technischen Knowhow ebenso in überfachlichen Kom­pe­tenzen zu qualifizieren. 

Die Entwicklung einer eigenen Strategie ist ein Muss

Auch Führungskräfte müssen ihr Verhalten anpassen, indem sie stärker als bisher auf Augenhöhe kommunizieren, unterstützen und koordinieren, anstatt bürokratisch-hierarchisch zu delegieren. Einzelne Qualifizierungs­maß­nahmen greifen jedoch zu kurz, flexibilisierte Arbeits­zeitmodelle erfordern vielmehr eine ganzheitliche Arbeits­organisation und Personalentwicklung, die verhältnispräventiv die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Beschäf­tigten schont und aufbaut. Gesundheit, Führung, Qualifi­zierung, Arbeitsorganisation, Kommunikation und natürlich auch Leistungs- und Verhaltenskontrolle, Daten­schutz, Barrierefreiheit sowie die Beschäftigungs­sicherung – die Interessenvertretungen sehen sich bei IT-Ein­füh­rungen mit einer Vielzahl potenzieller Gestaltungsfelder und Rege­lungs­bedarfe konfrontiert, während die eigenen Res­sourcen begrenzt sind. Damit aus Gestaltungslust nicht Gestaltungsfrust wird, ist es daher unverzichtbar, von einem strategischen Über­blick aus Prioritäten für das eigene Handeln zu setzen. Bei dieser und vielen weiteren Aufgaben unterstützt die TBS NRW die Kolleginnen und Kollegen mit praxiserprobten Methoden zur Orientierung und Instrumenten der Um­setzung.