Von der digitalen Stimme zur Mitbestimmung
Siri, Alexa & Co. zeigen: Die Digitalisierung hat eine weibliche Stimme. Dennoch ist Gleichberechtigung bei weitem nicht erreicht. Das Betriebsverfassungsgesetz und Tarifverträge geben den Interessenvertretungen allerdings Mittel an die Hand, hier Fortschritte durchzusetzen.
Die Debatte um die vierte industrielle Revolution hat als eine begonnen, die sich nahezu ausschließlich mit der (noch immer männerdominierten) Industrie und den entsprechenden Technologien beschäftigt, und dabei die Bereiche außen vor lässt, in denen vornehmlich Frauen beschäftigt sind. Das hängt u.a. damit zusammen, dass die Debatte bislang nicht von den dienstleistungs- und frauendominierten Branchen und Verbänden vorangetrieben wurde. Nicht von ungefähr fordert die Hans-Böckler-Stiftung eine „Aufwertung der sozialen Dienstleistungen als Voraussetzung der Gleichstellung“ www. boeckler.de/pdf/p_arbp_311.pdf
Bezeichnend etwa ist, dass die „Frauenfrage“ in Betrieben häufig auf das Thema „Work-Life-Balance“ oder „Home office“ reduziert wird. Sprich: Durch mobiles Arbeiten werde gerade Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht.
Gleichberechtigung bringt Fortschritte für alle Geschlechter
Hier stellen sich mehrere Fragen: Warum wird dieses Thema auf Frauen reduziert? Und wie belastend können mobiles Arbeiten oder „Home office“ sein, wenn eine grundsätzlich positive Arbeitszeitflexibilität in Selbstausbeutung umschlägt? Um diese Entgrenzung von Arbeit und Leben nicht in einen Wahn der permanenten Verfügbarkeit umschlagen zu lassen, benötigen wir eine Arbeitswelt, in der Menschen jeden Geschlechts die Möglichkeit haben, sowohl erwerbstätig zu sein als auch ausreichend Zeit für Familie, Ehrenamt und Erholung zu haben. Die zentralen Ansatzpunkte sind hier die Gestaltung der Arbeitszeit, Regelungen zum Home Office und die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen. Mit den neuen Tarifverträgen der IG Metall zur Arbeitszeit und der neuen gesetzlichen Regelung zur Teilzeit gibt es hierfür neue Ansatzpunkte. Auf der betrieblichen Ebene können Betriebsräte Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen anstoßen (über den § 87 (1) 7 BetrVG) und dabei speziell genderspezifische Auswertungen vornehmen lassen.
Chancen der Digitalisierung konsequent nutzen
Die Digitalisierung bietet aber auch Chancen. So ermöglicht es die mobile Arbeit, dass mehr Frauen einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen können. Zudem könnten agile Formen der Arbeit (Scrum, Projektarbeit etc.) der Einstieg sein in den Abschied von hierarchischen Strukturen, die Männlichkeit strukturell bevorzugen – wobei die tatsächliche Ausgestaltung der genannten Arbeitsformen dieser Erwartung bislang nicht gerecht wird, sondern vielmehr den Wettbewerbsgedanken stärkt und Belastung erhöht. Aus Betriebsratssicht ist die Digitalisierung über die Arbeit zu gestalten und nicht nur über die konkret eingesetzte Technik. Hier sollte in den Betrieben ganz konkret nachgedacht werden über die Beteiligung von Beschäftigten bei der Beschaffung neuer Technologien und bei der Einführung sowie Beurteilung neuer Arbeitsformen. Gender-Aspekte sollten bei der Evaluation in den Blick genommen werden. Ein geeignetes Mittel im BetrVG stellt – neben der genannten harten Mitbestimmung im § 87 – der § 92a „Beschäftigungsförderung“ dar: über das Vorschlagsrecht können Betriebsräte die Geschlechter-Frage gut bearbeiten und im Betrieb dafür sensibilisieren. Darüber hinaus bietet das neue Entgelttransparenzgesetz ein Instrument für Betriebsräte, um Entgeltgleichheit im Betrieb zu thematisieren und zu fördern.
Frauen dürfen nicht auf die Stimmen der Digitalisierung reduziert werden (Siri & Co), sondern müssen den Prozess mitbestimmen können – das kommt allen Geschlechtern zugute. So sollte Solidarität, insbesondere im gewerkschaftlichen Sinne, verstanden werden als Gemeinschaft der Geschlechter, der abhängig Beschäftigten, die sich gegenseitig stärken.